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Ein interkulturelles Bildungs- und Sportprojekt für Jugendliche

EBS Jahresbericht 2015

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Abschlussbericht Namibia Windhuk 2015

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Teil 7: Die Zeit rennt hier!


Meterhohe Zäune und Sicherheitspersonal soweit das Auge reicht. Was sich anhört wie ein Hochsicherheitstrakt, ist in Wirklichkeit – Bishopscourt, die andere Seite von Kapstadt. Am Freitagabend waren wir bei Nils eingeladen. Wir kennen uns aus Deutschland und im Moment ist er zu Besuch in seiner 2. Heimat Südafrika. Antje und ich fuhren daher zu der Adresse in Bishopscourt einem Nobelviertel von Kapstadt. Wir waren verblüfft. Dort leben die besser gestellten Bewohner der Stadt, sehr abgeschottet von der Außenwelt in ihrer eigenen. Mit Pool, bester Elektronik und den schicksten Autos. Ich brauche immer noch ein bisschen Zeit, um das zu verdauen. Es soll nicht heißen, dass der Abend nicht schön war, nein, es war nur alles ein bisschen anders als gewohnt. Wenn man die Armut aus den Townships kennt, ist es ein sehr seltsames Gefühl nur unweit davon entfernt mit einem kalten Getränk auf der Veranda mit Pool zu sitzen. Man fühlt sich ein bisschen falsch an diesem Platz, denn während unserer Arbeit versuchen wir aus den geringsten Mitteln das Größte für die Kinder heraus zu holen. Und dabei gewöhnt man sich selber daran und wird bescheidener. Die Probleme oder Sorgen, die ich mir viel zu oft mache sind gegenüber denen der Menschen in den Townships einfach nur ein Witz. Seitdem ich das erkannt habe, sehe ich viele Dinge ganz anders. Immer gleich das Schlimmste erwarten oder an einer Sache zweifeln, weil sie mal nicht genau nach Plan verläuft - ab jetzt nicht mehr mit mir.

Um den Kopf wieder frei zu bekommen und die Erlebnisse und Erfahrungen ein bisschen sacken zu lassen, wollen wir am Samstag den Tafelberg, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Südafrika, erklimmen. Nach dem verregneten Freitag war am Samstag wieder super Wetter. Die besten Voraussetzungen also um 1086 Meter über der schönsten Stadt der Welt zu sein. So machten wir uns extra früh auf den Weg, denn gutes Wetter zieht auch immer viele Touristen an. Die waren dann auch zahlreich bei der Seilbahn anzutreffen, denn hoch laufen kommt für viele nicht in Frage. Sie fahren einfach hoch, machen ein paar Fotos und erzählen dann der Family, dass sie auf dem Tafelberg waren. Wir wollten das aber nicht, sondern nahmen direkt den ersten Wanderweg namens „India Venster“. Der Name klang für uns nicht besonders - wie ein normaler Wanderweg eben. Dem war aber nicht so. Nach etwa 500 m bergauf und gefühlten 5000 zurückgelegten Steinen pausierten wir auf einem Felsen. Außer uns war weit und breit kein Mensch zu sehen - nur die Menschentraube an der Talstation. Jetzt wurde ich stutzig - vielleicht ist das doch kein normaler Weg, sondern man muss hier vielleicht mit professioneller Ausrüstung klettern? Antje beschäftigte das offensichtlich nicht so wie mich. Sie war voller Abenteuerlust, ich dagegen gesundheitlich etwas angeschlagen. Ich begann dem Ganzen nicht mehr zu trauen und versuchte auf dem Felsen Zeit herauszuschlagen, indem ich noch eine Kleinigkeit as und so tat, als wollte ich entspannen. Am unteren Ende des Wegs hatte ich ein paar Wanderer entdeckt, von denen ich mir Antworten auf sämtliche meiner Fragen zum Weg erhoffte. Nach 15 Minuten erreichte uns die erste Gruppe. Wir kamen sofort ins Gespräch. Sie sagten uns, dass es nur eine Stunde dauern würde, bis wir oben sind und dass wir den gelben Zeichen, die wir alle 100 Meter finden könnten, folgen sollten. Ich wurde schon wieder optimistischer. Dann kamen noch zwei Männer dazu. Sie fragten uns welchen Weg wir nehmen und woher wir kommen. Auf Deutschland reagierten sie außerordentlich positiv und fragten uns, ob wir nicht alle zusammen Hochlaufen wollen. Hätten wir nicht zugestimmt, würden wir höchstwahrscheinlich immer noch auf dem Fels sitzen. Also machten wir uns nun zu viert auf den weiteren Weg zum Table Mountain.

Es stellte sich heraus, dass die beiden aus Kapstadt kommen und, obwohl sie den Tafelberg jeden Tag sehen, noch nie hier oben gewesen waren. Es war eine witzige Runde und wir lachten viel. Auch Chris, der vom Abend zuvor noch einen Kater hatte, fiel der Aufstieg in einer größeren Gruppe offensichtlich leichter. Nach etlichen Pausen und einer guten Stunde später waren wir immer noch nicht oben. Der ältere Herr hatte uns am Anfang doch gesagt, dass es nur eine Stunde dauern würde. Komisch. Nach und nach wurde der Weg immer schwieriger, von Wandern konnte schon lange keine Rede mehr sein. Eher klettern oder hiken. Wir kamen an unsere Grenzen, da Antje und ich die hohen Felsen oft gar nicht alleine hochgekommen wären. Aber wir hatten ja zum Glück super Unterstützung. Zwei Stunden später war immer noch kein Ende in Sicht. Das einzige was wir sahen waren metertiefe Schluchten und steile Abhänge. Ich habe ja grundsätzlich keine Höhenangst, aber da ist mir das Herz mal kurz in die Hose gerutscht. Wir kamen Felsen für Felsen voran, aber immer noch war außer uns weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Zudem wurde der Wind immer stärker, was man hier nicht unterschätzen darf. Der Tafelberg ist für seine tückischen Wetterverhältnisse bekannt. Das Wetter ändert sich dort oft rasch und ohne Vorwarnung. In gebückter Haltung und uns immer an den Felsen festhaltend, gingen wir weiter. Und dann waren wir endlich am Ziel, hunderte Meter über Kapstadt. Die Aussicht war der Wahnsinn - der Wind allerdings auch. Als wir zurückblicken in die Richtung, aus der wir gekommen sind, sehen wir ein Schild mit der Aufschrift: „This is not an easy Way to go down.“

Auf dem Weg nach oben hatte am Anfang kein Warnschild gestanden! Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fühlte ich mich frei, denn wir hatten es auf einem der schwierigsten Wege auf den Tafelberg geschafft. Natürlich auch Dank der tollen Unterstützung von Russel und Chris, ohne die wir es sicherlich nicht geschafft hätten. Im Nachhinein haben wir in einem Café erfahren, dass auf dieser Route schon etliche Leute ums Leben gekommen sind.

Voller Elan und erstaunlicherweise ohne Muskelkater starte ich in den Sonntag. Doch ein großes Radrennen in der Kap-Provinz lässt meine Pläne für den heutigen Tag gleich wieder schrumpfen. Ich entscheide mich für einen der schönsten Strände, Gordon’s Bay - und glücklicher Weise wird der Weg dahin vom Radrennen verschont. Unterwegs kommen wir an Khayalitsha vorbei. Bisher kannte ich es nur von Erzählungen und Fotos, aber was ich da jetzt sah war der Wahnsinn.

Tausende, oder genauer hunderttausende Wellblechhütten mit Millionen Bewohnern. Bisher hatte ich ja nur Lavender Hill kennen gelernt und die Townships drum herum. Aber das war unbeschreiblich. Jetzt wird mir klar was Matthias Eiles meinte, als er sagte, dass es mit Vorsicht zu genießen sei. Es gibt dort noch nicht einmal normale Straßen. Nächste Woche werde ich aber trotzdem hinfahren, um einen Kindergarten und ein paar Leute vor Ort zu besuchen. Natürlich nicht alleine, denn es gibt dort gerade ein paar Aufstände und viele Leute greifen zur Selbstjustiz. Egal ob es richtig oder falsch ist. Im Grunde genommen ist es ihnen wohl einfach egal, denn sie denken und merken zu oft, dass es sowieso niemand mitbekommt. Für eine weiße Frau ist es alleine jedenfalls kein sicherer Ort. Zum Glück habe ich hier schon einige Leute kennen gelernt, die mich unterstützen und mit mir zusammen hinfahren werden. Das mache ich aber erst nächste Woche nach dem Turnier, da ich dann den Kopf wieder dafür frei habe und zudem die Zeit mich intensiv der neuen Situation zu widmen.

Auch das Turnier rückt immer näher. Heute war schon das letzte Training in der Levana Primary School. Die Kleinen freuen sich riesig darauf und sind in ihren jeweiligen Teams sehr glücklich. Wir haben sie heute bei einem Testspiel „gescoutet“. Sikayler und ich haben jeweils ein Team zusammengestellt, die dann gegen die zwei anderen Teams von der Hillwood Primary antreten werden. Die Kinder sind stolz darauf, in der Mannschaft zu sein. Morgen haben wir dann das letzte Training in Hillwood. Und auch dort werden wir zwei Teams zusammenstellen. Überschattet wurde das aktuell sehr positive Gefühl von Gewaltübergriffen und weiteren Toten in Lavender Hill. Und nur 50 Meter von unserem Haus entfernt wurde am Wochenende eine Frau überfallen. Das alles sind Nachrichten, die einen täglich erreichen und sehr nachdenklich machen. Ich werde mich die nächsten Tage also nur noch mit dem Auto im Township fortbewegen. Man darf es eben nicht auf die leichte Schulter nehmen! Jetzt gleich ist der Montag auch schon wieder vorbei. Ich sage ja - die Zeit rennt hier!